F.acT: Seit 30 Jahren ist Österreich nun Mitglied der Europäischen Union. Welche Vorteile ergeben sich durch diese Mitgliedschaft für Österreich?
Monika Klinger: Die EU als ein Raum des freien Verkehrs von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital bringt natürlich auch zahlreiche Vorteile für den Tourismus. Sehr wesentlich ist, dass es seit dem Schengen-Abkommen im Jahr 1997 so gut wie keine Grenzkontrollen mehr gibt – wir nehmen das ja heute sehr gerne als Selbstverständlichkeit. Das Reisen ist seither sowohl für EU-Bürgerinnen und -Bürger als auch für Gäste aus Drittstaaten – auch mit dem einheitlichen Visa-Regime – sehr viel leichter. Österreich als kleines Land im Herzen Europas profitiert hier ganz besonders. Mehr als 85 % unserer Gäste kommen ja aus der EU. Einen Wachstumsschwung gab es auch aus jenen ost- und südosteuropäischen Ländern, die ab 2004 ebenfalls der EU beigetreten sind. Die Nächtigungen haben sich im Vergleich zu 1995 versechsfacht.
Der Euro und kostenloses Roaming sind ebenfalls große europäische Projekte, die für Reisende und den Tourismus insgesamt sehr positiv sind. Der Tourismus profitiert von EU Unterstützung für Projekte beispielsweise in der Regionalentwicklung und das auch grenzüberschreitend. Menschen können auch sehr viel einfacher in anderen Ländern lernen und arbeiten.
F.acT: Welche Rolle spielt Österreich heute als Tourismusland innerhalb der EU?
Monika Klinger: Österreich ist eine der beliebtesten Destinationen in der EU und liegt bei den internationalen Ankünften in absoluten Zahlen auf Platz 6 hinter Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und Griechenland. Durch die vielen Wintersportbegeisterten haben wir im Gegensatz zu vielen anderen Ländern zwei fast ausgeglichene Saisonen.
Viele österreichische Stakeholder aus dem Tourismus sind sehr aktiv und bringen auch viel Wissen in europäische Netzwerke und Projekte. Auch wir im Ministerium bringen uns in die Gestaltung der EU-Tourismuspolitik stark ein. Denn Österreich ist ein sehr anerkanntes Tourismusland und wir haben umfassendes Know-how, auch was die nachhaltige Tourismusentwicklung betrifft. Ein Beispiel ist der Bereich Statistik und Messung von Indikatoren. In Abstimmung mit der Statistik Austria sind wir hier international sehr aktiv. Aktuell stößt etwa die neue Messung der Tourismusakzeptanz in Österreich EU-weit auf großes Interesse. Auch bei der Entwicklung des Europäischen Datenraums für Tourismus dient der österreichische Tourism Data Space - ein Projekt unter Leitung der Österreich Werbung - vielen als Vorbild.
F.acT: Welche Schwerpunkte sind im Tourismus unter der neuen Kommission zu erwarten und welche anderen großen Themen auf EU-Ebene werden für den Tourismus in den nächsten Jahren relevant?
Monika Klinger: Mit dem neuen Kommissar für nachhaltigen Verkehr und Transport, dem Griechen Apostolos Tzitzikostas, hat erstmals ein Kommissar explizit Tourismus sichtbar in seinem Portfolio. Man wird sehen, wie sich der Wechsel des Tourismus vom Wirtschaftsbereich (DG GROW) in den Verkehrs- und Mobilitätsbereich (DG MOVE) auswirken wird. Es soll bis Anfang 2026 mit breiter Einbindung aller Stakeholder eine neue Strategie für nachhaltigen Tourismus auf EU-Ebene erarbeitet werden. Als Arbeitsbasis dienen derzeit seit 2022: der sogenannte „Tourism Transition Pathway“ und die Europäische Agenda für den Tourismus 2030.
Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass es eine noch engere Verzahnung von Tourismus und Mobilität geben wird. Österreich setzt hier schon seit längerem einen Schwerpunkt auf das Thema „nachhaltige Mobilität im Tourismus“ – etwa durch die jährlich stattfindenden Tourismusmobilitätstage oder zuletzt mit der Leitung der europaweiten „THE PEP Partnerschaft für nachhaltige Mobilität im Tourismus“. Insofern und angesichts der enormen Bedeutung nachhaltiger Mobilitätsangebote für den grünen Übergang im Tourismus hoffen wir hier auf wichtige Initiativen in den nächsten Jahren auch auf EU-Ebene.
Der Tourismus ist natürlich auch stark von Maßnahmen aus vielen anderen Politikbereichen und Programmen betroffen, z.B. der Unternehmens- und KMU-Politik mit dem Schwerpunktthema der neuen Kommission des Bürokratieabbaus, im Bereich des Umweltschutzes oder des Verbraucherschutzes mit der Pauschalreiserichtlinie oder den Passagierrechten. Auch die Diskussionen zum neuen mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2028 werden in den nächsten Monaten beginnen. Und natürlich können sich auch geopolitische Entwicklungen stark auf den Tourismus in Österreich und der gesamten EU auswirken. Insofern können wir gespannt sein, was die nächsten 30 Jahre in der EU für den Tourismus bringen.