Lenkung von Pistenschitouren
Land Tirol

Konfliktregelung bei Natursportarten

Besucherlenkung durch Angebot und Dialog im Rahmen des Programms „Bergwelt Tirol - Miteinander erleben“

Mag. Klaus Pietersteiner, Amt der Tiroler Landesregierung. Leiter "Bergwelt Tirol - Miteinander erleben"

F.acT: Das Programm „Bergwelt Tirol-Miteinander Erleben“ hat im vergangenen Jahr sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Bitte erklären Sie uns die Hintergründe des Programmes und welche Ziele es verfolgt:

Klaus Pietersteiner: Das Programm „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ wurde 2014 von der Tiroler Landesregierung ins Leben gerufen, um den steigenden Nutzungskonflikten im Naturraum Tirols aktiv entgegenzuwirken. Mit dem Wachstum des Outdoor-Sports haben sich viele Menschen verstärkt in der Natur bewegt – sei es beim Wandern, Mountainbiken, Skitourengehen oder anderen Natursportarten. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Interessen von Grundeigentümer:innen, Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Naturschutz, die mit diesen Freizeitaktivitäten in Einklang gebracht werden müssen. Das zentrale Ziel des Programms ist es, durch Dialog, Bewusstseinsbildung und gezielte Lenkungsmaßnahmen ein respektvolles Miteinander zwischen allen Nutzergruppen zu ermöglichen. Dabei setzt „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ auf ein partizipatives Konzept, bei dem alle betroffenen Akteure eingebunden werden.

Ein wesentliches Prinzip ist, dass keine generellen Sperrzonen geschaffen, sondern durch positive Angebote und gezielte Besucher:innenlenkung Konflikte vermieden werden. Durch regelmäßige Evaluierungen, wissenschaftliche Begleitung und den Einsatz digitaler Technologien, wie Besucher:innenzählungen oder digitale Informationsplattformen, wird das Programm laufend weiterentwickelt, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden.

Die Programmpartner:innen sind:

  • Österreichischer Alpenverein
  • Landwirtschaftskammer Tirol
  • Wirtschaftskammer Tirol
  • Tirolwerbung
  • Tiroler Jägerverband
  • Bergrettung Tirol
  • Land Tirol (diverse Fachabteilungen)

Themen- und projektabhängig werden noch weitere Institutionen mit einbezogen

F.acT: Regelung von Konflikten durch Sport im Naturraum stehen also im Zentrum Ihrer Bestrebungen. Welche Sportarten bringen Konfliktpotenzial im Naturraum hervor und wie äußert sich dieses?

Klaus Pietersteiner: Grundsätzlich entstehen Konflikte dann, wenn unterschiedliche Nutzungsinteressen aufeinandertreffen – sei es zwischen verschiedenen Sportarten oder zwischen Sportler:innen und anderen Akteuren wie Land- und Forstwirtschaft oder Jagd. Meist fehlt es an Information oder gegenseitigem Verständnis. Hier setzt „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ mit gezielten Maßnahmen an.

Besonders konfliktträchtig sind:

  1. Mountainbiken vs. Wandern/Forstwirtschaft:
    • Mountainbiker:innen nutzen oft Wege, die traditionell zum Wandern benutzt werden. Unterschiede in Geschwindigkeit, Fahrstil und Erwartungen an das Naturerlebnis führen häufig zu Konflikten.
    • Aufgrund der geltenden Rechtsvorschriften in Österreich ist das Radfahren ausschließlich auf dafür ausgewiesenen Straßen und Wegen im Wald gestattet. Diese Regelung wird jedoch häufig missachtet, wobei selbst Absperrungen von forstlichen Sperrgebieten, in denen durch Holzarbeiten erhebliche Gefahren bestehen, ignoriert werden.
    • Speziell das E-Mountainbiking hat durch die größere Reichweite und höhere Geschwindigkeit die Problematik verstärkt.
  2. Skitourengehen vs. Naturschutz /Jagd /Pistenpräparierung:
    • In empfindlichen Lebensräumen werden Wildtiere während ihrer Winterruhe gestört, was nicht nur zu Schäden im Wald führen kann, sondern in einigen Fällen auch kritische Auswirkungen auf die körperliche Verfassung der Tiere hat.
    • Tourengeher:innen, die nicht am Pistenrand aufsteigen oder die Pisten außerhalb der Betriebszeiten nutzen, gefährden sich und andere. Zudem wird die aufwendige Präparierung der Pisten erschwert.
  3. Klettern vs. Naturschutz/Eigentümerinteressen:
    • Besonders beim Bouldern und Sportklettern entstehen manchmal Konflikte mit dem Naturschutz oder Grundeigentümer:innen, wenn Routen in geschützten Gebieten liegen oder Wiesen am Wandfuß beschädigt und verschmutzt werden.

F.acT: Können Sie uns einige Beispiele dafür nennen, welche Maßnahmen durch das Programm „Bergwelt Tirol – miteinander erleben“ getroffen werden, um Konflikte im Naturraum einzudämmen?

Klaus Pietersteiner: Das Programm setzt auf eine Kombination aus Besucher:innenlenkung, Sensibilisierung und Infrastrukturmaßnahmen. Einige konkrete Beispiele:

  • Einheitliche Beschilderung & Weglenkung:
    • Alle MTB-Routen und Singletrails sind tirolweit einheitlich beschildert. Digitale Informationen über das legale MTB-Angebot werden als Open Government Data (OGD) zur Verfügung gestellt.
    • Skitourenlenkung mit Routenempfehlungen hilft, Wald- und Wildschutzgebiete zu entlasten.
  • Digitale Informationsplattformen & Besucher:innenzählung:
    • Die Tourenvorschläge auf beliebten Plattformen werden regelmäßig im Hinblick auf die Ziele von „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ überprüft. Gegebenenfalls werden die Autor:innen mit Änderungsvorschlägen kontaktiert.
    • Es wird aktiv an der OpenStreetmap (OSM) mitgearbeitet.
    • Man stellt Naturnutzer:innen tagesaktuelle Informationen über Sperrungen von Mountainbike-Routen zur Verfügung.
    • Automatische Zählstationen erfassen Besucher:innenströme und helfen bei der gezielten Planung von Lenkungsmaßnahmen.
  • Pistentouren-Modell „Sicher & Fair“:
    • Einführung von Pistentouren-Abenden in Skigebieten, an denen Tourengeher:innen sicher unterwegs sein können, ohne mit der Pistenpräparierung in Konflikt zu geraten.
    • Entwicklung eines Leitsystems für Pistentouren zur Entflechtung der Skiläufer:innenströme.
  • Kooperation mit Grundeigentümer:innen und lokalen Interessengruppen:
    • Kletterkonflikte werden entschärft, indem Parkplätze geschaffen, Wege saniert und Verträge mit Grundbesitzer:innen abgeschlossen werden.
Skitourenlenkung Wattental
Skitourenlenkung Wattental, © Land Tirol

F.acT: Rückblickend auf die vergangenen 10 Jahre des Programmes. Was ist das Erfolgsrezept von „Bergwelt Tirol – miteinander erleben“?

Klaus Pietersteiner: Das Erfolgsgeheimnis ist, dass „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ Konflikte nicht mit Verboten löst, sondern mit positiven Alternativen, die von allen Akteuren mitgetragen werden. Das Programm setzt auf Dialog, Kooperation und faktenbasierte Besucher:innenlenkung. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind:

  1. Einbindung aller Stakeholder:
    • Statt einseitiger Vorschriften werden Lösungen mit Sportler:innen, Tourismus, Grundeigentümer:innen, Jagd und Naturschutz gemeinsam erarbeitet.
    • Die regelmäßigen Arbeitskreise und Steuerungsgruppen sichern Akzeptanz und Umsetzbarkeit der Maßnahmen.
  2. Positive Anreize statt Verbote:
    • Statt Sperrzonen setzt das Programm auf attraktive Alternativen, etwa Singletrails für Mountainbiker:innen oder eigens markierte Skitouren-Routen.
  3. Moderne Technik & Datenanalyse:
    • Digitale Tourenplattformen wie radrouting.tirol kommunizieren Echtzeit-Informationen für Sportler:innen.
    • Die Bereitstellung von Open Government Data, die Mitgliedschaft bei Digitize the Planet und die Mitarbeit an der OpenStreetMap ermöglichen es Plattformbetreiber:innen, relevante Informationen einzubinden. Dadurch können Nutzer:innen bereits bei der Tourenplanung für eine naturverträgliche und konfliktfreie Sportausübung sensibilisiert werden.
    • Besucher:innenströme werden durch automatische Zählstationen erfasst, wodurch eine faktenbasierte Planung von Maßnahmen zur Lenkung ermöglicht wird.
  4. Nachhaltige Maßnahmen:
    • Das Programm setzt auf langfristige Lösungen, die sowohl den Naturschutz als auch die Interessen der Freizeitsportler:innen berücksichtigen.
    • Die laufende Evaluierung und Anpassung der Maßnahmen sorgt für kontinuierliche Verbesserung.
  5. Förderung der Maßnahmen
    • Projekte und Maßnahmen, die mit den Zielen von „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ in Einklang stehen, können vom Land Tirol gefördert werden. Für Leistungsträger:innen wie Tourismusverbände ist es daher auch finanziell vorteilhaft, auf Naturverträglichkeit und Konfliktminimierung zu achten.
radapp.tirol
radapp.tirol, © Land Tirol

F.acT: Abschließend, wie schätzen Sie die künftige Entwicklung von Sport im Naturraum ein und wo können Natursportler:innen Informationen zum richtigen Verhalten im Naturraum erhalten?

Klaus Pietersteiner: Die Bedeutung des Outdoorsports wird weiter steigen – auch durch den Trend zu nachhaltigen Freizeitaktivitäten und die gesellschaftliche Fokussierung auf Gesundheit. Das stellt den Naturraum vor große Herausforderungen.

Entscheidend wird sein, weiterhin Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen zu schaffen. Die Zukunft wird geprägt sein von:

  • Mehr Digitalisierung, z. B. durch Apps mit Echtzeit-Informationen.
  • Mehr Dialog & Bewusstseinsbildung, um Nutzer:innen eigenverantwortlich zu sensibilisieren.
  • Mehr innovative Infrastruktur, etwa gezielte Routenangebote für unterschiedliche Sportarten.

Natursportler:innen finden Informationen auf:

  • www.bergwelt-miteinander.at und den Kanälen unserer Programmpartner:innen.
    Hier ist besonders auf die Kampagne „RespektAmBerg“ des Österreichischen Alpenvereins hervorzuheben.
  • Für Mountainbiker:innen empfehlen wir radrouting.tirol und die Radapp Tirol
  • Auf einigen digitalen Outdoor-Plattformen können Informationen durch das Aktivieren bestimmter Kartenlayer eingeblendet werden (z. B. Alpenvereinaktiv, Outdooractive, Skitourenguru).
Klaus Pietersteiner
Klaus Pietersteiner, © Land Tirol Sansone

Klaus Pietersteiner ist im Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Waldschutz tätig. Seit 2022 leitet er das Programm „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“. Klaus Pietersteiner ist Geologe, Bergführer und Bergretter. Diese vielseitige Kombination spiegelt seine Leidenschaft für das Bergsteigen und sein Engagement wider, Konflikte im Naturraum zu verringern.