TVB Ötztal Tourismus

Mobilitätsstrategie Ötztal

Nachhaltige Destinationsentwicklung

Mag. (FH) Christoph Rauch: Destinationsleiter / TVB Ötztal Tourismus  

F.acT: Wie sieht die Mobilitätsstrategie des Ötztals aus?

Christoph Rauch: Ziel der Mobilitätsstrategie Ötztal 2030 ist es, eine nachhaltige, auf Dauer tragbare Mobilität im längsten Tiroler Seitental zu etablieren. Durch Befragungen sowie Expertenmeinungen wurden fundierte Grundlagen für die langfristige Verkehrsentwicklung geschaffen. Auf die umfangreichen Analysen folgte bereits im Sommer 2021 die Umsetzung erster konkreter Maßnahmen, die unter anderem auf die Verlagerung vom PKW auf öffentliche Verkehrsmittel abzielen. Ständig steigende Verkehrszahlen machen eine Änderung des Mobilitätsverhaltens nötig. Statt dem eigenem Auto sollen Bus, Rad oder Fußweg gewählt werden. Die Einführung und Ausweitung des Parkraummanagements im Ötztal trägt dazu bei, dieses Ziel zu erreichen. Seit 4 Jahren verkehren die Regiobusse zwischen Ötztal-Bahnhof und Obergurgl ganzjährig im Halbstundentakt. Die Entwicklung der Fahrgastzahlen belegen die zunehmende Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel bei Einheimischen und Gästen. Zudem muss die Mobilität auch ganzheitlich gedacht werden. Einen weiteren Anreiz für den Umstieg auf den ÖPNV stellt der kostenlose Radtransport aller VVT-Linienbusse auf der Strecke Imst/Haiming – Obergurgl dar. Rund 15.000 Fahrräder werden durchschnittlich im Sommer transportiert. Das sichere Be- und Entladen der Räder ist an den dafür ausgewiesenen Radbushaltestellen möglich. In Sachen Anreise und Fortbewegung vor Ort setzt das Ötztal auf einen stimmigen Angebotsmix. Insbesondere bei Bahn und Bussen auf öffentlicher Seite oder dem kontinuierlichen Ausbau der Bike-Infrastruktur wie dem Ötztal Radweg und Pilot-Projekten. Dies beweist unter anderem der Testeinsatz von Bussen mit Elektro-Antrieb. Außerdem ist die Forcierung der autofreien Anreise per Bahn ein weiterer Bestandteil des Maßnahmenpakets. So ist das Ötztal auch Partner von ÖBB Railtours mit den „Nightjet in die Berge“ Angebote und auch „Nightjet in den Schnee“ Angeboten.

Im Zuge der Mobilitätsstrategie wurden auch Anreize geschaffen, damit auch Einheimische das Angebot des ÖPNV gut nutzen können. Mit der bereits etablierten Ötztal Summer Card für Einheimische wurde eine Sommersaisonkarte geschaffen, mit der die Talbewohner unterschiedliche Freizeitattraktionen bequem per Bus in der gesamten Region besuchen können. Mit Angeboten wie diesem sowie einer verstärkten Kommunikation durch Vermieter und Rezeptionisten wird das Bewusstsein für die Nutzung des ÖPNV bei Einheimischen und Gästen vorangetrieben.

Mobilität von Fahrräder
Mobilität von Fahrräder, © TVB Ötztal Tourismus

F.acT: Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Mobilitätskonzeptes?

Christoph Rauch: Eindeutig die Finanzierung. Beim ÖPNV Angebot geht es ja nicht nur darum, die Talsohle und die Ortszentren zu bedienen, sondern auch Mobilitätsangebote abseits des „Mainstreams“ wie beispielsweise nach Vent oder nach Niederthai oder Gries ganzjährig anzubieten. Die Topografie des Tales mit einem umfassenden Verkehrsnetz ist an sich schon eine Herausforderung im Angebot der „letzten Meile“. Dazu braucht es einen Kraftakt aller Finanzpartner. Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf decken nur einen geringen Teil der Gesamtkosten im öffentlichen Personennahverkehr. Die Gemeinden des Regiobus Ötztal Konzeptes, der Ötztal Tourismus aber auch die Bergbahnen leisten hier schon einen großen Teil um die Finanzierungslücke zu schließen. Leider wird die Lücke immer größer, da auch der Landespolitik und der Bundespolitik die Budgets fehlen, um in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs auch im ländlichen Raum in den Regionen zu finanzieren. Die Finanzierungslücke kann aber die Region und der Tourismus nicht alleine stemmen. Alleine der Ötztal Tourismus finanziert derzeit ca. 1 Mio .Euro pro Jahr in das ÖPNV Angebot. Wir sind da auf zusätzliche Bundes- und Landesunterstützung angewiesen. Da wird zurzeit extrem gespart, was eine Umsetzung von neuen Projekten sehr erschwert. Vor allem wollen wir auch die Bahnanreise forcieren, um den Individualverkehr zu entlasten, da sind wir aber sehr von den Bahnbetreibern und wiederum der Politik abhängig. Es kann nicht sein, dass Fernverkehrszüge nur direkt bis Innsbruck fahren und das Tiroler Oberland und somit auch der für uns so wichtig Anschlusspunkt „Ötztal Bahnhof´“ im Bahnausbau keine Berücksichtigung findet.

 F.acT: Was habt ihr für die nähere Zukunft noch geplant?

Christoph Rauch: Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs muss unbedingt laufend forciert und ganzheitlich gedacht werden. Wir haben insbesondere auch in den Nebensaisonen und auch in entlegeneren Gebieten Lücken im Ganzjahresangebot, die es bei der letzten Meile zu schließen gilt. Gerade in der Zielsetzung einer Ganzjahresdestination ist das flächendeckende Mobilitätsangebot eine „conditio sine qua non“. Auf der anderen Seite benötigt es auch in der Service- und Dienstleistungsqualität enorme Anstrengungen, sei es in der digitalen Beauskunftung & Fahrplanabfrage aber auch im Service: eLadestationen, versperrbare Radboxen, Fußgängerzonen & Warteplätze, zeitgemäße Umstiegsstellen, Busterminals mit Gepäckaufbewahrung & multimodale Mobilitätsangebote werden die Zukunft sein. Da hoffen wir natürlich auch auf das commitment und Umsetzungswillen des VVT (Verkehrsverbund Tirol). Gespannt dürfen wir auch sein, wie sich Entwicklungen im KI-Bereich (vielleicht auch mit selbstfahrenden Autos?!) auf das Mobilitätsverhalten auswirken werden? Wir wollen da aktiv sein und auch die Vordenker- und Vorreiterrollen einnehmen.

Mag. (FH) Christoph Rauch
Mag. (FH) Christoph Rauch, © TVB Ötztal Tourismus

Mag. (FH) Christoph Rauch

Im Anschluss an den Diplomstudiengang „Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft“  konnte ich im Jahr 2004 als Assistent der Studiengangs Leitung Teil des aufstrebenden MCI Tourismus Teams sein. Nach meinem mehrmonatigen Auslandsaufenthalt in British Columbia/Kanada übernahm ich beim renommierten Tiroler Reiseveranstalter „Travel Europe“ in Stans die Abteilung „Human Resources“. Ende 2007 konnte ich dem Ruf meiner Heimat nicht widerstehen und ich bin nun als Destinationsleiter / TVB Ötztal Tourismus für die touristische Weiterentwicklung im Vorderen Ötztal zuständig.

Seit 2020 darf ich zusätzlich den Bereich Infrastruktur & Mobilität im Ötztal Tourismus leiten. Als COO verantworte ich die Infrastruktur-Agenden beim größten Tourismusverband in Tirol mit ca. 30 Außendienst-Mitarbeitern.

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