F.acT: Die Mobilität gehört im Tourismus zu den wesentlichen Treibern der CO2-Emissionen. Welche Transportmittel werden in Tirol durch die Gäste genutzt?
Nicole Ortler: Nach wie vor liegt der PKW an Stelle Nr.1 der meistgenutzten Transportmittel für den Urlaub nach Tirol. Dies geht aus unserer Gästebefragung hervor. Demnach lag der Anreiseanteil in Tirol im Winter 2023/2024 bei 6 % mit der Bahn und 89 % mit dem PKW; im Sommer ist der Bahnanreiseanteil generell höher und lag 2024 bereits bei 8 %. Sind die Gäste erstmal in Tirol angekommen, werden PKW als auch Busse (v.a. Skibusse) im Winter fast gleichstark mit mehr als 60 % genutzt (Quelle: Tirol Werbung, T-Mona Gästebefragung, Winter 2023/2024, Mehrfachnennungen möglich). Im Sommer hingegen, ist der Anteil der PKW-Nutzer:innen mit 75 % etwas höher (Tirol Werbung, T-Mona Gästebefragung, Sommer 2024).
Bei der Betrachtung der Verkehrsmittelwahl gilt es zwei Faktoren zu beachten: Erstens aus welchem Markt kommen die Gäste? In Tirol liegen die Hauptmärkte mit über 75 % Anteil an Ankünften und Nächtigungen im DACH+NL-Raum (Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung, Sg. Landesstatistik und tiris, 2023). Die Verbindungen sind hier sehr gut und eine Anreise per Flug ist kaum notwendig. Und zweitens, wie lange bleiben die Gäste? Mit dem Trend zu Kurzurlauben und mehr Ankünften nimmt der Verkehr absolut zu. Umso wichtiger ist es uns, unser strategisches Ziel einer Verlängerung der Aufenthaltsdauer der Tirol-Gäste konsequent weiterzuverfolgen und gezielt zu fördern.
F.acT: Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen Herausforderungen in der Mobilitätswende im Tiroler Tourismus?
Nicole Ortler: Die Hauptargumente der befragten Gäste gegen die öffentliche Anreise im Winter sind der Gepäcktransport mit 60 %, die Anreisedauer mit knapp 58 %, sowie die Bequemlichkeit (Umstiege, Flexibilität, Überfüllung…) mit 48% und die Mobilität vor Ort mit 40 %. Weniger als ein Drittel der Befragten stören die Kosten und die Entfernung des Bahnhofs von der Unterkunft (Tirol Werbung, T-Mona Gästebefragung, Winter 2024). Im Sommer sind die Top-3-Gründe gegen die öffentliche Anreise ebenfalls die Anreisedauer mit 51 %, fast gleichauf an zweiter Stelle die befürchtete Einschränkung bei der Mobilität vor Ort mit 50 %, gefolgt vom Gepäcktransport mit rund 49 % der Stimmen (Tirol Werbung, T-Mona Gästebefragung, Sommer 2024).
Die Gepäckmitnahme in den öffentlichen Verkehrsmitteln kann im Winter durchaus eine Herausforderung darstellen. Selbst mit einer Direktverbindung ohne Umstiege kann der Weg zum Bahnhof und zur Unterkunft mit großem Koffer, Ski, Skischuhen und Rucksack beschwerlich wirken. Wir raten daher dazu, Sportausrüstung vor Ort auszuleihen. Hierdurch entfällt nicht nur der Gepäcktransport, sondern es wird im Sinne der Nachhaltigkeit auch ein Sharing-Modell genutzt. Weiters gibt es Gepäckservices der ÖBB und privater Anbieter:innen, die jedoch etwas Planung und Vorbereitung im Voraus erfordern, da das Gepäck bereits einige Tage vor der Anreise abgeschickt wird. Was die Bequemlichkeit angeht, ist das persönliche Empfinden recht entscheidend. Ob ich stundenlang konzentriert im Auto sitze und dafür halten kann, wann und wo ich möchte, oder auf der anderen Seite die Bahnfahrt zum Ausruhen, Lesen, für die Urlaubsplanung oder Qualitätszeit mit der Reisebegleitung nutzen möchte, kann beides als bequem wahrgenommen werden. Sicherlich sind die Verspätungen aktuell ein zusätzlicher Hinderungsgrund der Bahnanreise, jedoch ist auch nicht gewährleistet, dass jede Autofahrt reibungslos und staufrei abläuft.
Für die Mobilität vor Ort setzen wir als Tirol Werbung verstärkt auf die Kommunikation und Information. Wenn Gäste merken, dass der öffentliche Verkehr vor Ort funktioniert, gewinnen sie eher das Vertrauen den PKW im Urlaub nicht zu benötigen.
F.acT: Was sind die Handlungsfelder, in welchen sich die Tirol Werbung hierbei bewegt?
Nicole Ortler: Die Tirol Werbung bearbeitet das Thema nachhaltige Mobilität bereits seit über einem Jahrzehnt. Tirol auf Schiene, ein Netzwerk aus Tourismusvertreter:innen, Verkehrsverbund Tirol, Wirtschaftskammer und den Bundesbahnen aus dem DACH-Raum, hat sich als österreichweites Vorreitermodell in der Stärkung der Bahnanreise etabliert. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht in der Bewusstseinsbildung ins System hinein, d.h. zu den Tourismusverbänden hin. Hier bereiten wir mehrmals jährlich Newsletter auf, stellen hilfestellende Materialien zur Verfügung, stehen beratend zur Seite und organisieren Veranstaltungen. Die TVBs können sich dadurch untereinander zum Thema vernetzen, aber auch relevante Partner:innen aus dem eng gepflegten Netzwerk der Tirol Werbung wie z.B. Verkehrsunternehmen und Land Tirol, stehen zum Austausch bereit – hier profitieren alle von gegenseitigem Lernen und Sichtbarmachen des Bedarfs.
Ein regelmäßiger Austausch mit dem Land Tirol und Verkehrsverbund Tirol ist hilfreich, um auch landesweite Projekte und Maßnahmen anzuvisieren, politisch zu untermauern und dann gemeinsam umzusetzen. Unsere Herausforderung als Landestourismusorganisation ist, dass der Verkehr und dessen Infrastruktur vor Ort von den Regionen geregelt wird und wir daher nur dort ansetzen können, wo übergeordnete Maßnahmen sinnvoll sind. Ein Beispiel hierfür ist die Verbesserung der Datengrundlage für die Mobilität, um die Verkehrsströme besser zu verstehen und entsprechend Lenkungsmaßnahmen abzuleiten (s. Frage 1), aber auch die Bereitstellung der öffifreundlichen Ausflugsplattform Naturtrip oder der Austausch mit den Bahnunternehmen zum Fahrplan und zur Weiterentwicklung der Bahnangebote. Andere Projekte, mit denen wir uns beschäftigen, sind oftmals zunächst auf eine Pilotregion begrenzt, um dann bei Erfolg tirolweit ausgerollt werden zu können – derzeit suchen wir bspw. eine Region, mit der wir ein touristisches E-Carsharing testen können.
Um über all diese Angebote auch die Gäste zu informieren und inspirieren, ist die Zusammenarbeit mit unserem Marketingteam unerlässlich. Wir tragen die öffentliche Anreise und Vor-Ort-Mobilität bestmöglich auf all unseren Kanälen und in unseren Kampagnen mit.
F.acT: Welche Strategie wird verfolgt, um die Wahl eines nachhaltigen/öffentlichen Transportmittels zu etablieren?
Nicole Ortler: Die Strategie der nachhaltigen Tourismusmobilität in Tirol ist abgeleitet von unserer Unternehmensstrategie, dem Tiroler Weg und der Tiroler Nachhaltigkeits- und Klimastrategie. Demnach ist die Zielsetzung bis 2035 einen Anteil von 20 % in der nachhaltigen Anreise zu erreichen. Konkret sollen mindestens 15 % der Gäste mit der Bahn anreisen und die restlichen 5 % mit anderen nachhaltigen Anreiseformen (z.B. Bus). Hierfür braucht es drei wesentliche Bestandteile: Die Sicherstellung der Infrastruktur, die Kommunikation des verfügbaren Angebots und die Zusammenarbeit als Netzwerk und entsprechende Kooperationen.
F.acT: Welche Potenziale sehen Sie in der Mobilität Tirols für die Zukunft?
Nicole Ortler: Unsere Hoffnung liegt darin, dass nach Erfolg der umfangreichen Streckensanierungen im deutschen Raum wieder deutlich mehr Gäste mit der Bahn verreisen. Gleichzeitig werden auch neue Generationen als Urlaubsgäste nachkommen, die eine höhere Affinität für Nachhaltigkeit haben. Hier können wir mit bereits über 400 wöchentlichen Direktverbindungen im Fernverkehr aus dem DACH-I-Raum – also ohne Umstieg – als attraktives Reiseziel für einen autofreien Urlaub überzeugen.
Das größte Potential besteht vermutlich darin, ein so hochwertiges Öffi-Angebot zu schaffen, dass sowohl Einheimische als auch Gäste ihre Fahrtziele erreichen, die Nachfrage entsprechend steigt und damit der PKW-Verkehr insgesamt reduziert wird. Tirol hat jedenfalls schon einiges bewegt und hat viele ambitionierte und begeisterte Öffi-Vertreter:innen im und außerhalb des Tourismus, die sich sicherlich auch weiterhin unermüdlich dafür einsetzen werden, dass ein gutes Angebot für die Gäste und die Einheimischen besteht.

Nicole Ortler leitet das Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit der Tirol Werbung und treibt gemeinsam mit einem engagierten Team die nachhaltige Transformation im Tourismus voran. Sie ist Expertin für Nachhaltigkeits-Kommunikation und Veränderungsprozesse und blickt auf langjährige berufliche Erfahrungen im Bereich Energiewende als auch in der sozialen Nachhaltigkeit zurück.