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ASTER

Nachhaltigere Gestaltung von Outdoor-Textilien und -Ausrüstung aus Kunststoffen

Jasmin Baruck: Projektmanagerin Standortagentur Tirol

F.acT: Was ist ASTER und welches Problem versucht euer Projekt zu lösen?

Jasmin Baruck: Die Sport- und Outdoorbranche hat eine hohe wirtschaftliche Bedeutung im Alpenraum. Wichtige europäische Marken und Hersteller:innen setzen auf Kunststoffe in Bekleidung, Ausrüstungsgegenständen und Infrastruktur. Während der Produktion, aber vor allem am Ende des Lebenszyklus dieser Produkte fallen erhebliche Mengen an Abfall an. Nur ein geringer Anteil kann stofflich verwertet und als Sekundärrohstoff im Kreislauf gehalten werden.

Die Standortagentur Tirol ist Partner im von der Europäischen Union kofinanzierten Interreg Alpine Space Projekt ASTER, das im September 2024 mit einer Laufzeit von drei Jahren in die Umsetzung gestartet ist. ASTER steht für „Alpine Solutions for the Transition of the textile and plastic Equipment industry and the harmonization of interregional 5R strategies“ und hat zum Ziel, in der alpinen Outdoor-Branche den Übergang hin zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft zu fördern. Outdoor-Textilien und -Ausrüstungsgegenstände aus Kunststoffen sollen zum einen nachhaltiger gestaltet werden, zum anderen sollen - aufbauend auf den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft (5R) - die durch Outdoor-Aktivitäten in den Alpen entstehenden Textil- und Kunststoffabfälle reduziert und besser recycelt werden.

Um das Ziel zu erreichen, werden zunächst die geografischen, rechtlichen, technischen und politischen Rahmenbedingungen für die Vermeidung und Bewirtschaftung von Textil- und Kunststoffabfällen in den Alpen analysiert (abfallwirtschaftliche Rahmenbedingungen, Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen sowie die Darstellung von Akteur:innen der Kreislaufwirtschaft für Textilien und Kunststoffe).

Weiters wurde eine regionenübergreifende Pilotaktion konzipiert, welche von der Standortagentur Tirol geleitet wird, um Hersteller:innen und Einzelhändler:innen alpiner Outdoor-Textilien bei der Einführung von Kreislaufwirtschaftsmodellen und der Reduzierung von Abfällen zu unterstützen. Zum einen sollen in einem kollaborativen Prozess nachhaltige, kreislauffähige Prototypen von Outdoor-Bekleidung entwickelt werden. Zum anderen werden neue zirkuläre Geschäftsmodelle für Repair, Reuse, Mietmodelle (PaaS) sowie Rückgabesysteme, die dann am Markt getestet werden sollen, entworfen. Begleitet wird dieser Prozess durch die Universität Innsbruck mit einem interdisziplinären Team aus den Bereichen Abfallwirtschaft, Ressourcenmanagement, Materialwissenschaften und Textilforschung.

Darüber hinaus sollen Informations- und Vernetzungsveranstaltungen sowie Trainings für Hersteller:innen und Händler:innen Bewusstsein schaffen, Know-how aufbauen und die Akteur:innen bei der Umsetzung stärken.

ASTER zielt also darauf ab, die Schaffung transnationaler Wertschöpfungsketten für Textilien und Kunststoffe zu erleichtern, die Entwicklung von Wirtschaft und Kompetenzen zu fördern, Wissen zu schaffen und die Politik und Praxis hin zu einer Kreislaufwirtschaft im Alpenraum zu beeinflussen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden der Branche zur Verfügung gestellt.

Insgesamt beteiligen sich 11 Partnerorganisationen aus Frankreich, Italien, Deutschland, Slowenien und Österreich an dem, von der Region Auvergne-Rhone-Alps koordinierten, Projekt.

Im Rahmen der genannten Pilotaktion werden auch Observer eingebunden, wie der Verband der Sportartikelerzeuger und Sportartikelhändler Österreichs (VSSÖ), der Österreichische Alpenverein, das Land Tirol (Abteilung Umweltschutz) und das Tiroler Re-Use Netzwerk noamol.

ASTER Kick-off-Meeting Lyon
ASTER Kick-off-Meeting Lyon, © Alpine Space Project Aster

F.acT: Wie wird das Prinzip der Kreislaufwirtschaft mit ASTER für die Outdoor- und Sportartikelbranche im Detail umgesetzt?

Jasmin Baruck: Um dem Problem der Abfallmengen und deren stofflichen Verwertung entgegenzuwirken, vergleichen die Projektpartner:innen regionale Lösungen zur Abfallvermeidung und Abfallbewirtschaftung. Außerdem analysieren sie die Implementierung von Rahmen-bedingungen, die den Aufbau einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft in der Outdoorbranche unterstützen. Relevante Material- und Abfallströme werden sowohl quantitativ als auch qualitativ und geographisch erfasst, um ihr Potenzial für die Gewinnung von Sekundärrohstoffen zu bewerten. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Formulierung von Empfehlungen für die regionale Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen ein.

Praktisch angewandt werden die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft im Rahmen der Entwicklung von modellhaften Prototypen für konkrete Produkte. Hersteller:innen von Outdoor-Textilien sind eingeladen, sich an einem kollaborativen Entwicklungsprozess zu beteiligen, der wissenschaftlich begleitet wird und Formate der Open Innovation umfasst. Im Rahmen dieses Prozesses werden nicht nur neue Produkte, sondern auch kreislauforientierte Geschäftsmodelle entwickelt und mit Kundenfeedback am Markt erprobt. Die praktische Anwendung der 5 R-Grundsätze - Rethink (Circular Design), Reduce, Reuse, Repair und Recycle - spielt hier eine zentrale Rolle. Mit diesen Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft soll der Ressourcenverbrauch verringert, Umweltverschmutzung und Abfälle vermieden sowie die Wertschöpfung und Ressourceneffizienz gesteigert werden. Neben der Vermeidung kunststoffhaltiger Textilabfälle sollen auch skalierbare Lösungen für die Outdoor-Branche mit hoher Kundenakzeptanz entwickelt werden.

F.acT: Welche Herausforderungen ergeben sich aus eurer Sicht bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft?

Jasmin Baruck: Kreislaufwirtschaft funktioniert dann am besten, wenn viele Akteur:innen zusammenarbeiten. Beginnend beim Hinterfragen von materiellen Bedürfnissen, dem Design von Produkten bis hin zur Wiederverwertung der Materialien liegen Herausforderungen, die meist nur in Partnerschaften nachhaltig gelöst werden können. Die zehn sogenannten R-Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, von Refuse bis Recover, bieten hier eine gute Orientierung. Es ist wichtig, dass Unternehmer:innen verstehen, wie sie mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft Geld verdienen und Wertschöpfung generieren können. Manchmal ist dafür eben nicht der Verkauf von materiellen Dingen notwendig, sondern ein Service oder eine Dienstleistung, die zu einem positiven Kundenerlebnis führen.

Produkte kreislauffähig zu gestalten, braucht Know-how, das nicht immer vorhanden ist, weil die Sichtweise auf den gesamten Produktlebenszyklus notwendig ist. Rahmenbedingungen wie die neue Ökodesign-Verordnung, die auch einen digitalen Produktpass inkludiert, werden möglicherweise als neue Hürden wahrgenommen. Sie ermöglichen aber auch Chancengleichheit am europäischen Markt und bieten Planungssicherheit, weil diese Rahmenbedingungen die Nachfrage nach kreislauffähigen Produkten, aber auch Reparaturdiensten langfristig erhöhen werden. Die Etablierung eines kreislauforientierten Wirtschafts- und Konsummodells ist ein Transformationsprozess. Wir stehen hier in vielen Bereichen erst am Anfang. Mit dem Circular Hub Tirol und der Mitwirkung in Projekten wie ASTER möchte die Standortagentur Tirol Unternehmen auf ihrem Weg zur Kreislaufwirtschaft unterstützen.

F.acT: Welche Anknüpfungspunkte seht ihr zwischen eurem Projekt und der Tourismuswirtschaft? Wo gibt es Überschneidungen bzw. Synergien?

Jasmin Baruck: Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Aspekt für die positive Entwicklung des Tourismus, der vor allem von der alpinen Kultur und Natur lebt. Nachhaltige Outdoortextilien ermöglichen ein besonderes Naturerlebnis. Wir wollen in ASTER auch von bereits im Tourismus etablierten Praktiken lernen. Das Geschäftsmodell „Mieten statt Kaufen“ hat sich z.B. beim Verleih der Skiausrüstung oder bei Textilien in der Hotellerie sehr gut bewährt. Diese Idee weiter zu denken, und neben Ausrüstung auch Outdoor-Kleidung und Ausrüstung im Urlaubsort im Mietmodell anzubieten, schont Ressourcen und würde zum Beispiel auch die Anreise mit der Bahn erleichtern. Dieser Ansatz ist nicht ganz neu, aber derzeit ist die Nische für solche Modelle noch klein. Unser Ziel ist es, diese weiterzuentwickeln und skalierbar zu machen. Ein Pilotprojekt in einer Region würde sich hier anbieten.

Projektmanagerin Standortagentur Tirol
Projektmanagerin Standortagentur Tirol, © Jasmin Baruck

Jasmin Baruck, ursprünglich aus Halle an der Saale – also aus dem Flachland – kommend, hat an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Diplom Geographie mit Schwerpunkt Physischer Geographie und Geoökologie studiert. Für den Einstieg in das Berufsleben hat es sie dann nach Innsbruck – also in die Berge – verschlagen, zunächst an die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck als Projektmitarbeiterin am Institut für Geographie. Nun ist sie schon seit über 2,5 Jahren bei der Standortagentur Tirol als Projektmanagerin im Themenfeld der Kreislaufwirtschaft tätig.   

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Circular Economy