TTR: Wieso ist das Thema für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant?
Lukas Prehal: Die COVID-19-Krise hat deutlich gezeigt, dass ein klassisches Krisenmanagement in familiengeführten Unternehmen aufgrund mangelnder Ressourcen tendenziell vernachlässigt wird. Anders als große Unternehmen, welche zum Teil eine eigene Abteilung für Risikomanagement innehaben, können in der betroffenen Unternehmergruppe externe Krisen durch ihre Unvorhersehbarkeit hinsichtlich ihres Ausmaßes, der Eintrittswahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit, nicht gemonitort werden, da die notwendigen Mittel fehlen bzw. bevorzugt zur Wertschöpfung eingesetzt werden. Dies führt unweigerlich dazu, dass Bereiche wie organisationale Resilienz und organisationales Lernen im Zuge der Krisenbewältigung an Bedeutung gewinnen.
In Österreich handelt es sich bei 88% der Tourismusbetriebe um Familienunternehmen im weiteren Sinne (KMU Forschung Austria, 2020). Während sich der Fokus dieser Arbeit auf die familiengeführte Hotellerie bezieht, können der Inhalt sowie die Vorgehensweise auch auf andere touristische und nicht-touristische Familienunternehmen angewandt werden. In Tirol, wo in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft jeder dritte Euro direkt oder indirekt verdient wird, nahezu jeder vierte Vollzeitarbeitsplatz geschaffen und 17,5% der gesamten Tiroler Bruttowertschöpfung direkt erwirtschaftet werden, ist dieses Thema daher auch nach der COVID-19-Krise äußerst relevant.
TTR: Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit und welche Bedeutung haben diese für die Hotellerie?
Lukas Prehal: Man wurde von der Krise überrollt, weshalb familiengeführte Hotelbetriebe schnell entscheiden mussten. Dieser Zeitdruck führte teilweise zu ineffizienten ad-hoc-Maßnahmen. Da es in erster Linie darum ging, die Liquidität zu sichern, wurden Einsparungen am Personal getroffen, was wiederum post-COVID-19 eine Folgeherausforderung darstellen kann. Trotzdem ging aus der Untersuchung eindeutig hervor, dass strategisches Krisenmanagement zur effizienteren Krisenbewältigung auch in Zukunft aus den zuvor erwähnten Gründen nicht implementiert wird. Organisationale Resilienz spielt hierbei insofern eine Rolle, da ein resilienter Betrieb die negativen Auswirkungen einer Krise entkräftet und den Führungskräften die Möglichkeit schafft, gerade in der Notfallphase einer Krise effektive und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Nach der Überwindung des anfänglichen Schocks begann man sich der Situation anzunehmen. Durch freigesetzte Ressourcen aufgrund ausbleibender Gäste während der Pandemie wurden Optimierungen in bestehenden Prozesslandschaften bis hin zu Änderungen am organisationalen System durchgeführt. In dieser Zeit wurden Angebote rationalisiert, generiert und verbessert, sowie Partnerschaften intensiviert, neu gegründet und das bestehende Netzwerk in der Tourismusdestination gestärkt. Dieser Vorgang des organisationalen Lernens hängt somit unmittelbar mit der Bildung der Resilienz auf persönlicher, organisationaler und Destinationsebene zusammen. Resiliente Organisationen fördern die Resilienz einer Destination und vice versa findet derselbe Effekt statt. Dies gilt sowohl für Anbieter direkter touristischer Leistungen, als auch für Anbieter indirekter Leistungen, was sehr gut daran zu erkennen ist, dass viele Hotelbetriebe die Zeit ohne Gäste für geplante Investitionen im Anlagevermögen nutzten und somit Aufträge in der Baubranche generierten.
